Jana

Das Aschenputtel: Jana, 22 Jahre alt, KWPN Warmblut, 164 cm groß

Jana ist ein typisches „Produkt“ unserer Leistungsgesellschaft. Sie kam durch einen Zufall und den plötzlichen Tod ihrer Besitzerin zu uns aus einem „vornehmen“ Reitstall. Mit dem berühmten Dressurhengst Totilas teilt sie sich den Großvater Nimmerdor. Sie hat eine Turnierkarriere bis S-Dressur hinter sich. Die letzten Jahre, bevor sie zu uns kam, wurde sie privat freizeitmäßig auf dem Reitplatz und in der Reithalle weitergearbeitet.

Zu Jana gehörte nicht nur ein Sattel, der überhaupt nicht passte, sondern eine schiere Unmenge von Reitsportartikeln der teilweise übelsten Sorte, die sie wohl zum besseren Einrollen und Untertreten hatten bringen sollen: Ausbinder mit Hintergeschirr, Dreieckszügel, Kandaren mit allen möglichen Verschnallungen, Gurten, Riemen, etc. Erschreckend an Janas schlimmem Zustand war, dass sie von ihrer Vorbesitzerin offensichtlich von Herzen geliebt wurde. Ungeheuer viel Geld war für eine Menge Zeug und „Pferde-Profis“ ausgegeben worden, Sattler, Ostheopathen, Tierärzte, Bereiter, Trainer und Hufschmiede. Sie alle rieten zu diesem Beschlag und jenen Trainingsmethoden, diesem Ausbinder und jenem Wunderpülverchen – aber niemand bemerkte offenbar jahrelang, dass dieses Pferd schon Narben am Rücken und in der Gurtlage hatte von dem desaströs schlecht angepassten Sattel (maßangefertigt für mehrere Tausend Euro!). Bis zuletzt soll Jana am alten Stall von einem professionellen Trainer noch regelmäßig beritten worden sein. Als sie bei uns aus dem Hänger stieg, waren wir schlicht sprachlos. Eine so liebe, so geschundene Seele, die Narben, die völlig schief und krumm verschnittenen und beschlagenen Hufe, die wackeligen Beine, ihr ängstlicher Blick, das alles hat uns tief berührt.

Sie darf nun bei uns ihre Rente und die schönen Seiten des Pferdelebens genießen. Einfach nur Spazierengehen oder jede andere Aktivität, die nicht an Leistungsdruck gebunden ist, sind für sie etwas ganz Neues und tun ihr sehr gut. Sie ist freundlich, geht jedem Konflikt aus dem Weg und braucht eine aufmerksame, faire und geduldige Führung, denn aufgrund ihrer körperlichen Baustellen braucht sie manchmal etwas Raum, um ihre Beine zu sortieren. Sie läuft bei uns seit zwei Monaten erfolgreich barhuf und liebt es, mit ihrer neuen Freundin Pélé über die Wiese zu bretzeln. Was diese beiden so grundverschiedenen Pferde einander dann erzählen, würde mich sehr interessieren.

Lisa